Einführung

Kurzeinführung in das Werk von Heinz Knobloch

Das Hauptwerk Heinz Knoblochs sind Feuilletons, die zunächst in Zeitungen und Zeitschriften erschienen. Ein großer Teil davon ist von ihm selbst oder von anderen nachher in Auswahlbänden veröffentlicht worden. Da seine Feuilletons häufig an alltägliche Beobachtungen und Erlebnisse anknüpfen, ist der Arbeitsort Berlin ein Schwerpunkt seiner thematischen Sammelbände (z.B. “Berliner Fenster”, “Berliner Feuilleton”, “Stadtmitte umsteigen”, “Berliner Grabsteine”, “Im Lustgarten”). Seine intensive Spurensuche zum Schicksal von Einzelpersonen hat er auch zu Buchveröffentlichungen verarbeitet.
Er hat zur (Wieder-) Entdeckung von Berliner Persönlichkeiten (z.B. “Herr Moses in Berlin”= Moses Mendelssohn, “Meine liebste Mathilde”= Mathilde Jacob, die Sekretärin Rosa Luxemburgs; “Die Suppenlina”= Lina Morgenstern, die in Berlin Suppenküchen einrichtete) und zu historischen Aufklärungen beigetragen (“Der beherzte Reviervorsteher” = über die Verhinderung des Brandes der Synagoge in der Oranienburger Straße 1938, “Der arme Epstein” =Hintergründe um den Tod von Horst Wessel).
Einen besonderen Reiz bietet sein Werk dadurch, dass es ihm unter DDR-Bedingungen gelungen ist, seine kritische und oft grenzüberschreitende Sicht der Dinge in Büchern und vor allem in seinem wöchentlichen Feuilleton Mit beiden Augen auf der Seite 22 in der “Wochenpost” über viele Jahre kontinuierlich an ein breites Publikum weiter zu geben.

In den 90er Jahren hat Heinz Knobloch weitere Feuilletonbände (“Die schönen Umwege”, “Mißtraut den Grünanlagen”, “Gartenlust und Gartenliebe”, “Berlins alte Mitte”) und zunehmend autobiografische Bücher (“Nase im Wind”, “Eierschecke”, “Mit beiden Augen”, “Eine Berliner Kindheit”) herausgegeben. Im Jahr 2002 erschien “Das Lächeln der Wochenpost”, in dem er seinen journalistischen Werdegang in der Redaktion dieser Wochenzeitung bis zum Jahr 1968 nachzeichnete, was gleichzeitig das letzte von ihm selbst herausgegebene Buch wurde.

Im gleichen Jahr (2002) begann – reichlich spät – auch in der Bundesrepublik die wissenschaftsbasierte Beschäftigung mit Heinz Knoblochs Werk mit einen Artikel in Heft 1 der Zeitschrift “Publizistik” Die gleichen Autoren gaben parallel einen kommentierenden Sammelband mit exemplarischen Feuilletons heraus: (Reus/Reifarth (Hrsg.) Heinz Knobloch: “Lässt sich das drucken?”).

Von den Büchern Heinz Knoblochs sind meist nur wenige aktuelle Auflagen im guten Buchhandel zu finden. Nach seinem Tod erschienen im Jaron Verlag noch einige Neuauflagen. Seine älteren Werke, vor allem die Feuilletonsammlungen, sind in Bibliotheken und Antiquariaten zu finden. In Berlin bietet die Dorotheenstädtische Buchhandlung gegenüber dem Kriminalgericht Berlin-Moabit in der Turmstr. 5 die größte Auswahl alter und neuer Werke Heinz Knoblochs an. Der Inhaber Klaus-Peter Rimpel berät Sie dabei gern. Aber auch wer keine Buchhandlung oder Bibliothek in der Nähe hat, kann heute über das Internet, z.B. über das Zentrale Verzeichnis antiquarischer Bücher (www.zvab.com oder www.buecher.de) fast jedes seiner Bücher zu oft recht günstigen Preisen erwerben. Trauen Sie sich ruhig, auf diesem Wege einen der alten Schmöker zu erwerben und gehen Sie mit Heinz Knobloch auf die (Gedanken-) Reise!


Zum Schreibstil von Heinz Knobloch: Was ist ein Feuilleton?

Da das Feuilleton als literarische Gattung nicht mehr so bekannt ist, stehen hier zur Einführung zwei – ältere – Definitionen, die allerdings nicht literaturwissenschaftlich zu verstehen sind.

“Wer ein Feuilleton liefern möchte, soll etwas aufschreiben, das er gesehen hat, gleichgültig ob vor dem äußeren oder dem inneren Auge. Und was dem einen sin Uhl, ist dem andern sin Alltag. Und ein bißchen mehr als das Erlebnis oder das Beobachtete, ein Fazit muß dabei sein, ein Umschwung, ein Besinnen, ein Fund, eine Rückkehr von allen Ausflügen.” (Heinz Knobloch: Unterm Strich, 1974)

“Ein Feuilletonist ist ein Mann, der sich mit vielen Sachen – nicht nur mit einer – beschäftigt, der kurz schreibt oder spricht und der ein verständliches Deutsch schreibt oder spricht. … Eine ernste Sache unterhaltend und in guten Formen darzustellen, das ist es, was man Feuilletonismus nennt.” (Victor Auburtin)


Feuilletonbeispiel von Heinz Knobloch

Das Kernhaus

Für Daniel

Aus dem Kindergarten kommt der kleine Mensch und beschwert sich. Jeden Tag gibt es dort einen Apfel.
Wie schön! (Wie gesund und vitaminreich die Kinder ernährt werden. Wenn wir früher täglich …)

Immer muß der Apfel aufgegessen werden.

Natürlich muß der Apfel aufgegessen werden, was denn sonst? Sei doch froh, daß du …

Aber alles muß mitgegessen werden, die Kerne auch.

Die Kerne auch? Und das harte Zeug vom Gehäuse?

Wir müssen immer alles mitessen.

Soso. (Warum bloß? Zu Hause gibt es Äpfel ohne Eßvorschrift. Vom Gehäuse kann jeder übriglassen, was er mag.)

Kleine Anfrage bei nächster Gelegenheit: Warum müssen die Kinder denn die Kerne mitessen?

Weil das gesund ist. Weil da die Vitamine drin stecken!

Aber die Vitamine sind doch unter der Schale …

Nein, in den Kernen sitzt das meiste Vitamin! (Vitamin reimt sich auf Disziplin.)

Wer überzeugt wen mit dem Kernhaus, auch Griebs genannt? Biologe hätte man werden sollen oder Ernährungswissenschaftler …, das heißt, könnte man nicht ein Gutachten einholen vom Institut für Ernährungswissenschaft? Wenn dort dann steht, daß die Apfelkerne überhaupt keine Vitamine enthalten … Doch was, wenn sie schreiben, daß gerade die Kerne das Darmwichtigste seien vom ganzen Apfel, was dann, wenn man sie dennoch nicht herunterschlucken mag?

Es müßte ein Institut geben, das etwa folgende Gutachten ausstellt: Hiermit wird bestätigt, daß es notwendig ist, im Herbst fußraschelnd durch zusammengefegte Blätterhaufen zu gehen. Oder: An jedem dritten Donnerstag im Monat ist das Essengeld zum Karussellfahren zu verwenden. Und auch: Nach mehreren Versuchsreihen kann als gesichert gelten, daß die Bedeutung des Apfels darin liegt, daß er nicht weit vom Stamme fällt.

Aus dem Kindergarten kommt der kleine Mensch und geht zuerst zum steinernen Papierkorb, denn wir sind eine ordentliche Stadt, holt ein abgenagtes Kernhaus aus der Hosentasche und wirft es hinein. Glänzende Idee. Und von ganz allein dar­aufgekommen. Ja, in die Tasche müssen wir sie stecken.

(aus WOCHENPOST 38/1971)